VO (EG) Nr. 883/2004; Art. 45 und 48 AEUV
1. Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass eine Arbeitnehmerin mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats, in dem sie und ihre Kinder auch ihren Wohnort haben, die mit einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungshelferin eingeht, das nach den Rechtsvorschriften dieses anderen Mitgliedstaats dessen Pflichtversicherungssystem unterfällt, und die zwar nicht unmittelbar nach Einstellung, jedoch nach Absolvierung einer Vorbereitungszeit im anderen Mitgliedstaat – in dem sie nach Rückkehr eine Wiedereingliederungszeit verbringt – in einen Drittstaat entsendet wird, als Person anzusehen ist, die im anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung im Sinne der genannten Bestimmung ausübt.
2. Art. 288 Abs. 2 AEUV ist dahin auszulegen, dass er dem Erlass einer mitgliedstaatlichen Vorschrift, deren persönlicher Geltungsbereich insofern über den der Verordnung Nr. 883/2004 hinausgeht, als sie eine Gleichstellung der Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 mit seinen eigenen Staatsangehörigen vorsieht, nicht entgegensteht, sofern diese Vorschrift im Einklang mit dieser Verordnung ausgelegt wird und deren Vorrang nicht in Frage gestellt wird.
3. Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 60 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 sind dahin auszulegen, dass sie den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats und den Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats derart miteinander verbinden, dass der Antragsteller auf Familienleistungen nur einen einzigen Antrag bei einem dieser Träger einbringen muss, der dann von diesen beiden Trägern gemeinsam zu erledigen ist.
4. Die Art. 45 und 48 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht untersagen, generell Familienleistungen abzuschaffen, die er bis dahin Entwicklungshelfern gewährte, die ihre Familienangehörigen an ihren Einsatzort im Drittland mitnehmen, sofern diese Abschaffung zum einen unterschiedslos sowohl für Berechtigte mit Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats als auch für solche mit Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats gilt und zum anderen eine unterschiedliche Behandlung der betroffenen Entwicklungshelfer nicht danach bewirkt, ob sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit vor oder nach der Abschaffung Gebrauch gemacht haben, sondern danach, ob sie mit ihren Kindern in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland wohnen.
Urteil des EuGH vom 25.11.2021, Rs. C-372/20 (QY . /. Finanzamt Österreich, vormals Finanzamt für den 8., 16. und 17. Bezirk in Wien), ECLI:EU:C:2021:962 –
Anmerkung von Katharina Arnreither, Linz
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7938.2022.04.09 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7938 |
Ausgabe / Jahr: | 4 / 2022 |
Veröffentlicht: | 2022-04-01 |
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