Die Welt von gestern In dem gleichnamigen 1942 erschienenen Werk hat Stefan Zweig plakativ eine Zeitenwende der Migration beschrieben: „Vor 1914 hatte die Erde allen Menschen gehört. Jeder ging wohin er wollte und blieb, solange er wollte. Es gab keine Erlaubnisse, keine Verstattungen, und ich ergötze mich immer wieder neu an dem Staunen junger Menschen, sobald ich ihnen erzähle, dass ich vor 1914 nach Indien und Amerika reiste, ohne einen Pass zu besitzen oder je gesehen zu haben. Man stieg ein und stieg aus, ohne zu fragen und gefragt zu werden, man hatte nicht ein einziges von den hundert Papieren auszufüllen, die heute abgefordert werden. Es gab keine Permits, keine Visen, keine Belästigungen; dieselben Grenzen, die heute von Zollbeamten, Polizei, Gendarmerieposten dank des pathologischen Misstrauens aller gegen alle in einen Drahtverhau verwandelt sind, bedeuteten nichts als symbolische Linien, die man ebenso sorglos überschritt wie den Meridian in Greenwich.“
Für die Zeit davor wird in der historischen Migrationsforschung insbesondere der Massenexodus in die Neue Welt (Nord- und Südamerika) hervorgehoben. Von 1820–1915 wanderten 63 Millionen Europäer, überwiegend aus den unterentwickelten süd- und südosteuropäischen Regionen (Italien, Spanien, Portugal) nach Übersee aus. Ab dem Jahr 1860 wurde weltweit von Pässen kein Gebrauch mehr gemacht, so dass weitgehend offene Grenzen bestanden, ohne Kontrollen der Identität und Fragen nach den Motiven der Aus- und Einreise. Mit Beginn des ersten Weltkrieges änderte sich die Lage. Aus Gründen der nationalen Sicherheit führten die kriegführenden Staaten wieder Pässe ein „Staatliche Eingriffe in Wanderungen über Grenzen erreichten im 20. Jahrhundert eine bislang nicht bekannte Reichweite und Intensität. Der Erste Weltkrieg war dabei für die Entwicklung des Wanderungsgeschehens in Europa und im atlantischen Raum Epochenzäsur und Schrittmacher zugleich. Er beendete die Epoche liberaler Wanderungspolitik… Grenzüberschreitende Wanderungen wurden zunehmend beschränkt und in verordnete Bahnen gezwungen.“
| DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7938.2025.08.04 |
| Lizenz: | ESV-Lizenz |
| ISSN: | 1868-7938 |
| Ausgabe / Jahr: | 8 / 2025 |
| Veröffentlicht: | 2025-08-05 |
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