Wichtigster Indikator für das Arbeitskampfvolumen ist die Zahl der Arbeitstage, die pro Jahr infolge von Arbeitskonflikten ausfallen. Unter dem ehemaligen sozialistischen Politikregime war das Streikrecht beispielsweise zwar formal anerkannt, hingegen wurde das Auftreten von Tarifauseinandersetzungen und Streiks aber in der Regel verboten. Daher sind verlässliche Angaben über Arbeitskampfaktivitäten erst seit der Wende 1989, mit dem Beginn der Demokratisierung möglich. In vielen Ländern – darunter Bulgarien, der Tschechischen Republik, Estland, Ungarn, Litauen und der Ukraine – ist das Streikrecht sogar in der Verfassung verankert. Dabei hat eine Studie von iw-trends ergeben, dass die streikanfälligsten Länder Polen und Rumänien sind. In Rumänien besteht explizit die Möglichkeit, ohne direkte gewerkschaftliche Beteiligung zu streiken.
In Estland fiel sogar in der gesamten Untersuchungsperiode je 1 000 Beschäftigte überhaupt kein Arbeitstag durch Streiks oder Aussperrungen aus. In der Tschechischen Republik, für die die Daten nur bis 1996 vorlagen, kam es im Zeitraum von 1991 bis 1995 zu jahresdurchschnittlich zwei und im Jahr 1996 zu vier Ausfalltagen. Im Vergleich zu Deutschland kam es in der Teilperiode 1991 bis 1995 zu 17 Ausfalltagen und im Jahr 1996 zu fünf Ausfalltagen. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass im internationalen Arbeitskampfvergleich Deutschland im jährlichen Durchschnitt 11 durch Arbeitskampf verlorene Arbeitstage je 1 000 Beschäftigte hat, also als ein Land mit relativ wenigen Arbeitskonflikten ausgewiesen wird.
Insgesamt konzentrieren sich die Arbeitskämpfe in den MOE-Staaten zumeist auf den öffentlichen Sektor und auf staatliche Unternehmen in Energie und Bergbau. Dass vor allem so wenige Konflikte in der Privatwirtschaft ausgetragen werden, hängt mit den vergleichsweise schwachen gewerkschaftlichen Strukturen, dem geringen Mobilisierungsvermögen, der Erkenntnis, dass wirtschaftliche Umstrukturierungsprozesse unvermeidlich sind und der Angst vor einem Arbeitsplatzverlust zusammen. Weitere Ursachen sind – außer in Polen – eine fehlende Kultur der Massendemonstrationen und die Befürchtung, dass durch kollektive Maßnahmen die demokratische Stabilität gefährdet werde.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7938.2006.03.05 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7938 |
Ausgabe / Jahr: | 3 / 2006 |
Veröffentlicht: | 2006-03-01 |
Seiten 113 - 121
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